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Julia Lossau: Die Politik der Verortung


Eine postkoloniale Reise zu einer >ANDEREN< Geographie der Welt (Bielefeld 2002) editorial: In Zeiten globaler Unübersichtlichkeit hat die Rede von kulturellen Unterschieden Hochkonjunktur. Während die einen den Kampf der Kulturen bestätigt sehen, machen sich andere für den Dialog der Kulturen stark. Der Band fasst beide Szenarien als komplementäre Strategien, die eine kontingente Welt durch die Verortung kultureller Identität buchstäblich in Ordnung bringen. Ganz im Sinne der postkolonialen "Theorie unterwegs" belässt die Autorin es aber nicht bei der reinen Dekonstruktionsarbeit, sondern macht sich auf die Suche nach ANDEREN Möglichkeiten der Verortung. Damit lädt sie zu einer Reise ein, die vom partikularistischen Welt-Bild kultureller Gegensätze über das universalistische Welt-Bild des kulturellen Ausgleichs hin zu einer ANDEREN Geographie der Welt führt. Leseprobe (Auszug): "Vor der Reise: Das Denken der "Ei(ge)nen Welt.
Ausgangspunkt und Zielbestimmung
Die Insel Kiloland liegt im Süden der Azoren vor der afrikanischen Westküste. Obwohl sie auf den ersten Blick wie eine ganz normale Insel anmutet, hat es mit ihr eine besondere Bewandtnis: Sie wurde erst im Frühjahr 2000 "entdeckt" und geriet prompt in die Schlagzeilen. So berichtete etwa die "Süddeutsche Zeitung", dass es auf Kiloland zu Spannungen und gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Mehrheit der Adonia und der Minderheit der Butonia gekommen sei (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 22.2.2000). Angesichts der bürgerkriegsähnlichen Zustände, so der Bericht weiter, habe die Regierung Kilolands die Vereinten Nationen zu Hilfe gerufen. Die Vereinten Nationen wiederum hätten die Entsendung einer internationalen Friedenstruppe beschlossen und der NATO sowie der Westeuropäischen Union (WEU) ein entsprechendes Mandat erteilt. Aber wie der Zufall es wollte, war die NATO zu diesem Zeitpunkt schon anderweitig engagiert. Dies zumindest war der Wochenzeitung "DIE ZEIT" zu entnehmen, die zu berichten wusste, dass der "Schurkenstaat" Yellowland Südeuropa mit Massenvernichtungswaffen bedrohe und die ganze Aufmerksamkeit des nordatlantischen Bündnisses für sich in Anspruch nehme (vgl. Stelzenmüller 2000). Also habe die WEU nach Absprache mit der Allianz beschlossen, den Frieden auf Kiloland unter Rückgriff auf NATO-Mittel im Alleingang wiederherzustellen. Die Meldungen bezüglich des ersten Einsatzes der europäischen Militärorganisation waren widersprüchlich: Während in der "Süddeutschen Zeitung" zu lesen war, es seien zunächst 10.000 Soldaten zum Einsatz gekommen, berichtete "DIE ZEIT", der Einsatz habe mit der Offenbarungsfrage geendet, wer derzeit überhaupt in der Lage sei, Soldaten zu stellen. Zudem, so "DIE ZEIT" weiter, sei es über den Alleingang der WEU zu schwerwiegenden Meinungsverschiedenheiten im NATO-Rat gekommen. Besonders strittig seien dabei die Fragen gewesen, ob der stellvertretende NATO-Oberbefehlshaber in Europa im Falle einer Ausleihe an die WEU als "NATO-Einrichtung" gelte und ob die NATO wegen des eigenen Einsatzes ein jederzeitiges Rückrufrecht beanspruchen dürfe. Im Eifer dieser Wortgefechte geriet das kaum entdeckte Kiloland wieder in Vergessenheit. Über den Verlauf der Auseinandersetzungen zwischen den "Volksgruppen" wurde an prominenter Stelle nie wieder berichtet, und auch das Schicksal einer kleinen Gruppe "europäischer Zivilisten", die Gefahr gelaufen waren, zwischen die Fronten zu geraten, schien bis auf den heutigen Tag keiner weiteren Meldung wert. Zudem darf angenommen werden, dass von der Insel Kiloland – wie vom "Schurkenstaat" Yellowland – auch in Zukunft nicht mehr allzu oft die Rede sein wird. Denn auch wenn diese Insel zunächst wie eine ganz normale Insel anmutet, so existiert sie nicht "wirklich". Vielmehr stellen die ethnische Mehrheit der Adonia und die ethnische Minderheit der Butonia, stellen Kiloland und Yellowland nichts anderes als Konstruktionen dar – konstruiert für eine gemeinsame Übung von NATO und WEU, die im Frühjahr 2000 unter dem Codenamen CMX/Crisex 2000 auf dem NATO-Intranet Chronos "durchgespielt" wurde. ( ... ) "
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Ich hatte eigentlich vor, mit dem Hinweis zu warten, bis ich das Buch durchgelesen habe, aber Lossaus entrée paßt gerade einfach zu gut zu gegenwärtigen Debatten bzw. Nichtdebatten.
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