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Deutsch-Pflicht auf dem Pausenhof


"'Wir sind an einer deutschen Schule, da spricht man Deutsch, so wie man in der Türkei eben Türkisch spricht', sagt ein deutsches Mädchen aus der neunten Klasse.' (...) 'Es ist doch Quatsch, wenn sich die Türken auf Türkisch und die Araber auf Arabisch unterhalten, da versteht doch keiner was', sagt ein Junge, der aus Bosnien kommt. Und ein Mädchen aus Palästina sagt: 'Deutsch verstehen alle.'" (Printausgabe der Allgäuer Zeitung, S. 3, 27.01.2006)

"Ein Satz in der Hausordnung der Herbert-Hoover-Realschule in Wedding hat eine Grundsatzdiskussion ausgelöst. Die Schule, an der mehr als 90 Prozent der Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache sind, verpflichtet ihre Schüler dazu, auf dem Schulgelände und bei Schulveranstaltungen nur Deutsch zu sprechen. Der bildungspolitische Sprecher der Berliner Grünen-Fraktion, Özcan Mutlu, warf der Schulleitung deshalb jetzt diskriminierendes Verhalten vor." (Die Welt.de von Nicola Dolif)

Weitere Info:
Presseerklärung der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration vom 24.01.2006


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Ich finde, diskriminierendes Verhalten ist, wenn Gruppen sich hinter ihrer eigenen Sprache verstecken. In einer deutschen Schule sollte man Deutsch sprechen. Das ist meiner Meinung nach der einzige Weg zur Integration.

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Täusch' ich mich oder neigen diejenigen, die selbst nicht türkisch sprechen dazu, der Einführung einer "Pflichtsprache" bzw. dem Verbot von praktizierter Polylingualität auf dem deutschen Schulhof zuzustimmen ?

Warum so restriktiv ?

Ein Schritt, zwischen zwei Kulturen, die durch zwei Sprachen repräsentiert werden, zu vermitteln könnte auch darin bestehen, bilinguale Schulen zu fordern.

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auf folien

würd das problem hier besser an.com. meint man

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*LOL

Aber nur, wenn die Folien ausreichend kurz im netz sind,
bzw. genaugenommen ab dann, wenn sie nicht mehr im netz sind.

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Sinnlos

Wer soll das kontrollieren? Die Lehrer als Sprachpolizei? Sollen die deutschen Mitschüler petzen gehen? Und die Strafe? Drei Stunden Deutschunterricht?
Warum lernen wir eigentlich nur Englisch oder Französisch in der Schule? Warum hat man nicht wenigstens die Möglichkeit auch z.B. Türkisch zu lernen?
In der Schule in der ich war, waren ca. 60Prozent Türken. Wir gerne hätte ich gewußt, was die über mich reden. Aber niemals hätte man sie dazu zwingen können, dass sie ihren Frust (oder was auch immer) ins Deutsche übersetzen.

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sinnlos für wen ?

Hier gehts um die Verhandlung bzw. die Verteidigung und Institutionalisierung von Mehrheitskultur. Aus dieser Perspektive ist ein türkisch-Verbot auf deutschen Pausenhöfen alles andere als sinnlos.

Btw, was ist mit der Ausübung von Englisch und Französisch auf dem Schulhof--scheint kein allzu dringlicher hotspot zu sein.

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Sinn macht nur, was auch durchführbar ist. Mit einem weiteren Verbot beweisen die Deutschen mal wieder, wie unkreativ sie versuchen bestimmte Verhaltensweisen zu forcieren. Deutsch lernen, bzw. sprechen kann auch Spaß machen. Aber bestimmt nicht, wenn man dazu genötigt wird.

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Anmerkungen

Vielleicht darf ich ergänzend zu meinem Eintrag folgendes hinzufügen, was die beiden angegebenen Links nicht schreiben:
Die Deutsch-Pflicht an der Herbert-Hoover-Realschule gibt es anscheinend schon seit zwei Jahren. Erst vor kurzem fiel Özlan Mutlu die Hausordnung in die Hände und es kam zur o.g. Diskussion.
Damals beriet sich die Schulleitung gemeinsam mit den Eltern der Schüler und den Schülern selbst über diesen Punkt, bis auf zwei Klassen stimmten alle für die Einführung einer solchen Deutsch-Pflicht. Mittlerweile seien alle sehr zufrieden mit der daraus erfolgten Entwicklung ... insbesondere die Eltern.

Zur Diskussion:
Hier scheiden sich vermutlich die Götter.
Auf der einen Seite sehe ich auch eine gewisse Problematik in der Einführung einer Deutsch-Pflicht und stimme den berechtigten Fragen von cosmictrigger zu. Wenn ich mir vorstelle, dass ein Schüler als Strafe die Hausordnung abschreiben muss, weil er lieber in seiner Landesprache spricht, finde ich das nur lächerlich. Ich bin auch der Meinung, dass die Polylingualität für alle Seiten sehr fruchtbar sein könnte.

Auf der anderen Seite sehe ich auch nicht ein, warum die Einführung einer Deutsch-Pflicht eine Diskriminierung darstellt. Im Gegenteil sehe ich gewisse Vorteile, die in den Beiträgen genannt wurden und mit denen argumentiert wird, ganz genauso. Insbesondere sehe ich hier, dass die Schüler sich eine Grundlage für ihr späteres Leben in Deutschland schaffen. Je mehr sie Deutsch sprechen, desto einfacher haben sie es später ... ob nun im Beruf, an der Uni, oder wo auch immer. Natürlich werden sie hier gezwungen - und die Ausweitung auf den Pausenhof mag vielleicht übertrieben sein - aber manche müssen vielleicht auch zu ihrem Glück gezwungen werden. Und irgendwie leuchtet mir schon ein, dass die Schüler auf dem Pausenhof vielleicht mehr untereinander zu tun haben werden, als wenn sich nach der jeweiligen Sprache Grüppchen bilden. Dies mag vielleicht ein naiver Aspekt meinerseits sein, aber das ist doch dasselbe wie in einer Sprachschule. Wann auch immer ich irgendwo unterwegs war, sobald ich mich mit Deutschen auf Deutsch unterhalten habe, haben wir uns aktiv und passiv irgendwie vom Rest abgekapselt. Sobald wir beispielsweise an einer spanischen Schule auch Spanisch geredet haben, waren wir im Kreis aller dort Anwesenden, jeder hat jeden verstanden, es kam zu keinerlei Abgrenzungen.

Und ob das nun gleich Diskriminierung ist, an deutschen Schulen Deutsch zu sprechen? Meine Güte, wir sollten trotz aller Multiethnizität, trotz allem Verständnis für unsere ausländischen Mitbürger, trotz aller Freiheiten, trotz ... doch auch mal ein bisschen deutsch sein und denken dürfen. Wir leben nun mal in Deutschland und noch spricht man bei uns eben Deutsch. Wenn ich in der Türkei lebe, dann spricht man da ja auch Türkisch. Ich würde gerne mal wissen, was Türken in der Türkei denken würden, wenn ich die ganze Zeit Deutsch sprechen würde.
Zugegeben geht es vielleicht zu weit, dies zu einer Verordnung auf Deutschlands Pausenhöfen zu machen, aber Diskriminierung spielt sich für mich woanders ab. Es geht hier ja auch nicht um Deutsch gegen Nicht-Deutsch. Es geht darum, alle irgendwie unter einen Hut zu bringen. Und bi- oder gar polylinguale Schulen zu fordern ... ja wo kommen wir da denn hin?

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"Und ob das nun gleich Diskriminierung ist, an deutschen Schulen Deutsch zu sprechen?"

Mal von praktischen Erwägungen wie der Durchführbarkeit des Beschlusses, wie sie cosmictrigger zu bedenken gibt abgesehen - um Diskriminierung von deutschen Türken per se geht es sicher nicht bei dem Verbot. (Wiso fragt hier eigentlich keiner, warum das deutsch als Sprache nicht angenommen wird, bzw. man sich durch den Gebrauch einer anderen Sprache bewußt abgrenzt?)
Insofern, warauduati, hätte ich dieselben Schwierigkeiten wie du, die Ausübung der deutschen Sprache in deutschen Schulpausen in diesem Kontext der Diskriminierung von deutschen Türken gleichzusetzen.
Auf welche Textstelle beziehst du dich?

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Assimilation vs. Integration - ein alter Hut in Deutschland.

"Sinn macht nur, was auch durchführbar ist."

Sinn existiert kontextuell. Etwas, das in Kontext A überhaupt keinen Sinn hat, kann in Kontext B durchaus von Sinn sein.
In Kontext C späche man vielleicht eher von 'Bedeutung' statt von 'Sinn'.

Was bedeutet dieses Verbot, was repräsentiert es,
was daran ist für Ethnologen interessant - von unseren vielfältigen persönlichen Meinungen über "richtig" und "falsch" mal abgesehen ?

Die Nichtumsetzbarkeit des Verbotes steht vollkommen außer Frage.

Sie steht so sehr außer Frage, daß der implizite Identitätsdiskurs doch förmlich danach schreit, thematisiert zu werden--oder nicht ?

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Neuer Link

In der FAZ holt man etwas weiter aus zu dem Thema.

Mich erinnert dieser Vorschlag an ein Kapitel norwegischer Geschichte, an das man nicht gerne zurueck denkt. Ende des 19.Jahrhunderts wurde mit einer aehnlichen Begruendung die saamische Sprache an norwegischen Schulen verboten. Das Verbot galt bis in die 60er-Jahre und gilt als klassisches Beispiel von Assimilationspolitik von der man heute Abstand nimmt. Jetzt sind die Schulen auch mehrsprachig beschriftet.

(Nun sind die Saamen keine Einwanderer, doch "relevante andere", die man stetig ausgegrenzt hatte und im nationbuilding prozess ein Element unerwuenschter Vielfalt darstellten) (*puh spaet gaehn*)

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Mir erscheint die Aufgeregtheit dieser Debatte über die beiden Berliner Schulen in den Medien etwas künstlich. Denn wie man in jenem Artikel des Tagesspiegels vom 24.01.2006 nachlesen kann, gilt diese freiwillige Vereinbarung an der Hoover-Schule schon ein ganzes Jahr. Und sie wird offenkundig gar nicht so genau eingehalten. Beides wurde von den Kritikern und der Mehrheit der Journalisten, die diesen Fall kommentierten, übersehen.
Genauso wie die Tatsache, dass an der Hoover-Schule nur noch weniger als 10 Prozent und an der Borsig-Realschule nur noch 25 Prozent deutsche Schüler sind - mithin also fast niemand mehr dort ist, der Deutsch als Muttersprache spricht und mit dem dann die Schüler anderer Muttersprachen "automatisch" die Landessprache sprechen und somit üben. Laut Tagesspiegel sind deutsche Muttersprachler mittlerweile an 50 Berliner Schulen in der Minderheit.
In den Kindergärten sieht es ähnlich aus, wobei es auch dort die üblichen Ost-West- und arm-reich-Unterschiede, abhängig vom Bezirk, gibt. Beim Berliner Bären-Test kommt dann regelmäßig heraus, dass Kinder mit der Muttersprache Deutsch die Sprache sehr viel schlechter beherrschen, wenn sie in einen Kindergarten gegangen sind, in dem sie eine Minderheit waren. Berliner Eltern lesen solche Berichte auch, wer kann, schickt dann seine Kinder in andere Kitas und Schulen.

Ach ja, an der Kreuzberger Friedrich-Zelter-Hauptschule gilt schon seit Jahren eine Deutsch-Pflicht, nur eben ohne Hausordnung (nachzulesen hier).

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"Mir erscheint die Aufgeregtheit dieser Debatte über die beiden Berliner Schulen in den Medien etwas künstlich."

Gibt es denn überhaupt Mediendebatten, die nicht 'künstlich' sind und darüberhinaus solche, die nicht selektiv argumentieren ?

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Polemik - oder "weiß nicht, was ich als Überschrift nehmen soll" ...

Wahrscheinlich nicht, orangemcm.! Ich stimme Dir übrigens auch zu, dass "der implizite Identitätsdiskurs doch förmlich danach schreit, thematisiert zu werden", gerade unter den Ethnologen. Tatsächlich beschäftige ich mich seit einiger Zeit mit Fragen der Identität und Ethnizität, allerdings in einem etwas anderen Rahmen. In meiner Arbeit geht es unter anderem auch um Abgrenzung ... einer der Wege ist der über die Sprache ... allerdings geht es hier um teils weiterreichende Beweggründe.

Erneut gebe ich in der vorliegenden Debatte zu denken, dass es sich nicht unbedingt (nur) um Deutsch vs. Nicht-Deutsch handelt, auch ist meines Erachtens der Vergleich von iglu01 von Norwegisch vs. Saami nur begrenzt zutreffend. Meiner Meinung nach handelt es sich hier nicht primär um das Problem der Abgrenzung gegen das Deutsche, nicht um den Versuch, ausländische Kinder aus einer deutschen Perspektive zum Deutsch zu zwingen (auch wenn damit inzwischen argumentiert wird oder es zumindest so erscheint), sondern vielmehr um den Versuch, auf das polylinguale Kuddelmuddel zugunsten einer einheitlichen Sprache zu verzichten. Und dass man sich, sei es nun in einer freiwilligen Vereinbarung oder in einem festgelegten Punkt in der Hausordnung, auf das Deutsche geeinigt hat, erscheint mit nur sinnvoll. (Aber ich sehe schon, ich sehe das teils schon wieder zu naiv und fange ebenso an zu polemisieren – siehe unten!)

Ich stimme natürlich auch arboretum zu. Diese Debatte ist nicht nur "etwas künstlich", sondern ebenso stark "aufgeregt". Und um zuletzt noch auf den Punkt der Diskriminierung zurückzukommen orangemcm.: ich habe mich nicht auf eine Textstelle bezogen, sondern auf die Reaktion und Äußerung von Grünen-Politiker Özlan Mutlu. Diesbezüglich und zurückführend auf Deine Frage, lässt sich dann auch diskutieren, ob es sich hier eigentlich um eine "künstliche Mediendebatte" aus sich heraus handelt oder ob nicht die Medien von der Politik be- und ausgenutzt werden, um mit viel Polemik in Deutschland mal wieder alles schlecht zu machen! (Dies beinhaltet natürlich gleich wieder eine Meinung meinerseits – oh Gott, wie macht das Spaß mit Euch – freue mich auf weitere Reaktionen!) ;-)

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Sprachpolitiken im Spiegel der Zeit

Lorenz' Beispiel ist eines, das einen Wandel bzw. einen Richtungswechsel innerhalb der innernorwegischen Sprachpolitik innerhalb eines bestimmten Zeitraumes indiziert.

Für Deutschland liegt mit unserem Gegenstand der "Pflichtsprache für Schulpausen" derzeit etwas Vergleichbares vor.

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