Ethno::log |
Dept. of ethnologica, korikori, December 7, 2004 at 10:28:23 AM CET Der Bundespräsident und Afrika Der deutsche Bundespräsident, Horst Köhler, dürfte mit seinen Äußerungen über Afrika so manchen Ethnologen überraschen, der Politiker schon längt als interkulturelle Idioten abgeschrieben hatte. Am Montag hat Horst Köhler seine erste große Auslandsreise nach Sierra Leone angetreten, auf eignenen Wunsch, wie es entschuldigend aus dem Bundespräsidialamt lautete. Eine eindeutige und erstaunliche Geste. Aber es steckt nicht reines Gutmenschentum hinter dieser Priorität, sondern tiefere Einsicht für die Probleme in der globalisierten Welt: ... Comment
kerleone, December 8, 2004 at 12:25:32 PM CET
Hmmm, aber nicht ganz so schön ethnologisch finde ich seinen ständig verwendeten Begriff der Zivilisation und der zivilien Gesellschaft, die wir haben und die sich bei den Afrikanern entwickelt. Das hat doch wieder was von der alten Evolutionismus-Idee. ... Link
korikori, December 8, 2004 at 4:51:19 PM CET
Nicht unbedingt. Der Begriff der Zivilgesellschaft kann auch in einem politischen Sinn verwendet sein und mit Ideen der Demokratie, der Legitimität von Herrschaft und mit Bürgerrechten verbunden sein. So gesehen ist es dann kein Evolutionismus (der ja von einem sehr allgemeinen Fortschrittsmodell ausgeht), sondern eher eine politisch-gesellschaftliche Bewertung, die kulturelle Errungenschaften ausblendet. ... Link
vernant, December 9, 2004 at 9:09:58 PM CET
Lieber Korikori, Genausowenig finde ich die Forderung nach Abbau von "handelsverzerrenden" Subventionen bahnbrechend. Koehler redet von den Baumwollsubventionen, die Benin schaedigen. Fuer diese Subventionen sind zum Grossteil die USA verantwortlich. Er erwaehnt nicht die Milch, Zucker, Fleisch etc Subventionen der EU. Solche Forderungen, genauso wie das Zitieren des 0.7% BNP - Ziels und der letzten Konferenzen (Monterrey zur Entwicklungsfinanzierung, Doha "Entwicklungsrunde" der WTO) gehoeren zum Standardrepertoire eines jeden Entwicklungspolitikers. Ich finde weder dass so etwas "viel Mut" erfordert, noch grossen Respekt verdient. ... Link
age-man-eight, December 10, 2004 at 4:48:32 PM CET
hi vernant
leider kann ich den ersten Teil deiner Kritik an Koehler nicht ganz nachvollziehen. Nur weil der Begriff Zivilgesellschaft ein Begriff des Westens ist, macht das die dahinterliegenden Ideen "wie dem Individuum und einem "rationalen" politischen System, das Buergerrechte garantiert" nicht zwingend schlecht. ... Link
vernant, December 11, 2004 at 1:45:44 PM CET
age-man-eight
du hast schon recht, ich moechte diese Begriffe auch nicht schlecht machen, sondern nur darauf hinweisen, das sie relativ sind, eine Geschichte haben, irgendwo herkommen. Das lokale "an die Beduerfnisse der Bevoelkerung anpassen" bei solchen Begriffen, die generell als universal, allgemeingueltig und natuerlich angenommen werden, ist halt recht schwierig. Jeder Nationalstaat dieser Welt behauptet, dass er seine Buerger vertritt, dass sie eine Moeglichkeit haben, sich politisch zu engagieren. Aber alle sind auch konfrontiert mit diesem ubiquitaeren Diskurs ueber Menschenrechte, Zivilgesellschaft etc, ueber internationale Politik, NGOs, Presse etc. Lokale Diktatoren und Unterdruecker positionieren sich dazu. Aber die Anrufung von "Menschenrechten" ist nicht genug, um irgendetwas an der Situation zu aendern. Menschen leben weiter, ungleich, sie wandern umher, und die Sicherheiten, die sie von "Rechten" garantiert bekommen, sind immer relativ, und unsicher. Kannst du mir irgendeinen Nationalstaat nennen, der den Lebensstil von Nomanden unterstuetzt, gut findet? ... Link ... Comment
mawingu, December 11, 2004 at 5:27:34 PM CET
Noch ne Meinung zu Köhler
Ich muss mal kurz noch was anmerken: Köhlers erste große Auslandsreise Mitte Juli ging nach Polen. Danach kamen weitere. Was K. also die erste große Reise nennt, ist zwar vielleicht seine erste weite Reise. Die erste weite Reise muss aber zwangsläufig aus Europa rausführen, sonst wäre sie ja nicht weit. Ich glaube daher, aber nicht nur daher, dass K.s vorgebliche Afrikaverbundenheit auch Koketterie ist. Zu seiner Weltethosrede: Bevor K. Bundespräsident wurde, war er Geschäftsführender Direktor des IWF. Als solcher beurteilte er das Leben der Nationen von der Warte der internationalen Finanzelite aus, anhand der üblichen IWF-Kriterien also, zu denen in erster Linie die Rendite auf das eingesetzte Kapital gehört: günstige Investitionsmöglichkeiten, Freizügigkeit für Kapitalbewegungen, liberale Steuergesetzgebung, ein ausgeglichener Staatshaushalt (sprich Abbau von Sozialleistungen) - der ganze heilige Profitkanon. ... Link ... Comment |
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