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Das Programm Selbstverblödung - Die Universität als Unternehmen


In seiner Abschiedsvorlesung kritisiert Prof. Dr. Bodo Zeuner vom Otto-Suhr-Institut der FU Berlin die zunehmende Ausrichtung der Universitäten an Unternehmen. Die Universitäten seien demnach Prozessen ausgesetzt, bei denen nicht etwa betriebswirtschaftliche Strukturen angestrebt werden, die die Universitäten besser organisiert agieren lassen könnten, dagegegen hat Zeuner garnichts. Nein, durch die "Unternehmisierung" hält eine neue Ideologie Einzug in die Hochschulen, die dazu führt, daß die "[...] Wissenschaftsproduktion etwa, die das Streben nach Wahrheit dem Markterfolg unterordnet, [...] ihren eigenen Gebrauchswert ruinier[t]" indem sie durch "die Abdrängung der professionellen Autonomie Kreativität und Produktivität gefährden könnte". Auch kommt er zum Schluss, daß die heutigen Wissenschaftler zur Solidarität unfähig seien und "in der Wissenschaft aufgestiegene Menschen [...] daher im Allgemeinen sozial viel dümmer [sind] als etwa Fabrikarbeiter, die durch Erfahrung lernen, dass es ihnen schlechter geht, wenn sie nur für sich ihr Glück versuchen".

www.taz.de....


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Auch kommt er zum Schluss, daß die heutigen Wissenschaftler zur Solidarität unfähig seien und "in der Wissenschaft aufgestiegene Menschen [...] daher im Allgemeinen sozial viel dümmer [sind] als etwa Fabrikarbeiter

*applaus*

Aber: In den meisten Konzernen wird auf Führungsebene wenigstens ernsthaft ein funktionierendes Teamwork angestrebt. Es gibt schon einen Grund, warum Firmen einfach besser funktionieren als Universitäten.

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Teamwork in der Führungsetage ist sicher eine Art der Kooperation, freilich unter marktwirtschaftlichen Wettbewerbsbedingungen. Die kooperative Teamarbeit in der Führungsetage ist jedoch eingebettet in ein System, das unter Bedingungen der Ungleichheit und in einer hierarchischen Ordnung funktioniert und daher von einer produktiven und weitgehend egalitären Kooperation meilenweit entfernt, die es m.E. anzustreben gilt. Sowohl was die innerbetriebliche Scheidung in Führungsetage und Arbeitnehmer angeht als auch außerbetrieblich, was die Scheidung in global player und kleine Firmen betrifft. Das Funtionieren einer Firma hängt somit von der möglichst optimalen Intergation ihrer Produktionsprozesse in die sie bestimmenden Produktionsverhältnisse ab. Dies kann durch möglichst optimale Wertschöpfungsketten (Billigproduktion in Niedriglohnländern) oder Bedienung von (elitären) Ansprüchen an qualitative Nahrung (Bioprodukte) passieren, um nur zwei Beispiele zu nennen. Eine Firma hat dabei nur bedingten Handlungsspielraum, da ihr Erfolg von ihrer Integration und von der Aneignung der die Produktionsverhältnisse bestimmenden Prinzipien bestimmt ist und sich letztlich in ihrem Gewinn manifestiert.

Eine Universität hingegen als staatliche Behörde, mit all ihren Macken und Sand im Getriebe, steht in einem anderen Verhältnis zum Markt. Ihr Erfolg misst sich nicht am Gewinn oder am Verkauf von Absolventen. Doch indem die unternehmerische Ideologie quasi als Überbau in den univeritären Gremien etabliert wird, verändert sich auch die Produktion der Absolventen. Wenn die Akademiker eine Notwendigkeit verinnerlichen die eigtl. nicht die ihre ist, führt dies unter Umständen auch zur Veränderung der Lehre, den "Produktionsverhältnissen des Wissens". Solange die Universitäten noch staatlich organiserte und finanzierte markfremde Organisationsformen sind, gibt es keinen Grund, die markteigene Ideologie zu verinnerlichen und einzuführen.

Im Gegenteil, die Universitäten müssen ihre Autonomie wahren und neue Autonomie erkämpfen. Die Optimierung der universitären Abläufe sollte sich daher nicht ideologisch an marktwirtschaftlichen Mechanismen orientieren, sondern selbstkritisch, autonom und anhand logischer (für was gibt es Universitäten denn sonst) Kritierien erfolgen. Die Universitäten sollten sich also Autonomie verschaffen indem sie einerseits um Geld und Vetrauen kämpfen und andererseits den "Verwaltungsmuff" sinnvoll entschlacken und eingrenzen.

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Ich bin deiner Meinung, paco. Universitäten sind nur begrenzt als Unternehmen zu verstehen, obwohl manche Hochschulen global players sind, welche durchaus "produzieren" und absetzen wollen, wie Beispielsweise die TUM, die ETH oder das MIT - Die Qualität der "produzierten" Abgänger sichert ihnen ja privatwirtschaftiche Forschungsgelder. Aber ich glaube, wir haben, was unsere Überzeugungen bezüglich der Autonomie von Bidungsstätten angeht, keine grossen Differenzen.

Ich spreche ein anderes Thema an: Ich arbeite gerade in einem Ableger eines grossen Konzernes und bin ehrlich erstaunt, wieviel Kompetenz und Verständnis für kulturelle und soziale Dynamiken hier manche Manager aufbringen. Im Falle, von dem ich rede, wird soziale Kompetenz jedoch bewusst geschult. Wir reden hier von mikrosozialer Kompetenz - Es geht um Teambildung - Aber da ist doch der Bereich, in dem sich die Universitäten von solchen Firmen negativ unterscheiden: Zeig mir mal ein Institut, in dem sich der Lehrkörper eine Woche lang in ein Seminarraum sperrt, um soziale Kompetenz auszubilden.
Akademiker verlieren doch - mit Ausnahmen spätestens mit der Habil jegliche soziale Intelligenz, verzeih die Polemik. (Sozial- und Kulturwissenschaftler bilden hier keine Ausnahme. Interessanterweise.)

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Vielleicht wäre es besser, dich nicht allzu sehr von dem Gelaber "Schulung in Sachen sozialer Kompetenz" blenden lassen. Seit wann bitte brauch ich jemanden, der mir beibringt, lehrt, wie ich mit meinen Mitmenschen umgehen soll??? Sollte man sich doch vielmehr fragen, warum es so einen Expertenkram(interkulturelle Kommunikation etc.)überhaupt gibt und dazu hat der Falke ja schon einiges erzählt!!! Wie Frantz Fanon bereits weise sagte: "In den kapitalistischen Ländern schiebt sich zwischen die Ausgebeuteten und die Macht eine Schar von Predigern und Morallehrern, die für Desorientiertung sorgen." Die wirtschaftliche Unterwerfung bleibt konstant, die Art, wie dies von statten geht ist, wie du gezeigt hast, eleganter und daher auch eine viel stärkere und nachhaltigere Form der Bewusstseinsbeeinträchtigung als die alten Formen der Ausbeutung... : Die Illusion der Teilhabe...
Was die Uni angeht, bin ich skeptischer als du, Falke. Die Autonomie und die viel beschworene intelektuelle Freiheit ist seit geraumer Zeit dahin bzw. schon immer ebenfalls eine Illusion, wenn man die Uni versteht als eingebettet in soziale, ökonomische und politische Prozesse.

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Mit Begriffen wie "blenden lassen" sollte man vorsichtig um sich schmeissen, areia.

Seit wann bitte brauch ich jemanden, der mir beibringt, lehrt, wie ich mit meinen Mitmenschen umgehen soll???

Seit wann du das im besonderen brauchst, weiss ich nicht. Viele profitieren schon seit dem Kindergartenalter davon. Manche sind auch noch mit 40 bereit, zu lernen, wie man mit Mitmenschen in speziellen Situationen (Teamarbeit) umgehen kann.

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"Areion", ich gebe dir recht, wenn du darauf hinweist, daß Universitäten nicht im luftleeren Raum stehen und spätestens sei M.FOUCAULT wissen wir um die Problematik, das Wissen immer auch von Machtbeziehungen beeinflußt wird.
Nur denke ich, daß es Aufgabe einer Universität sein muß, die Machtmechanismen in die sie eingebettet ist offenzulegen oder zumindest gleich einem Archäologen die Umrisse und Formen in mühsamer Kleinarbeit zu abzuklopfen. Die Intelligenzija sollte, und das passiert ja tlw. auch, gerade in der Ethnologie, sich über die "Produktionsverhältnisse" ihres Wissens über andere (sic!) bewußt werden. Dies geht aber m.E. nur in einem Raum, der dem direkten Einfluß von Marktmechanismen entzogen bleibt. Ich gebe "anthronaut" Recht wenn er auf die "Eliteunis" hinweist, und gerade diese verengte Elitedenken kritisiert ja auch ZEUNER. Ich gebe auch "areion" Recht, wenn sie/er darauf hinweist, daß die Universität eingebettet in die Gesellschaft und nicht außerhalb von ihr funktioniert. Doch gibt es gerade in der BRD (noch) sehr viele bedeutende öffentliche Unis, weshalb es sich meiner Meinung nach lohnt, Gegenwehr zu üben, wenn es darum geht, das Wissen, dessen Produzenten und Konsumenten "vollkommen" in die Warenform zu überführen. Vollkommene Autonomie nein - angstrebtes Ziel: Einschränken jener Einflüsse, die die Autonomie einschränken, Stärken jener Kräfte, die Selbstreflexion und -kritik nicht mit Passivität und Ziellosigkeit verwechseln. Wer sich nicht wehrt, hat schon verloren (BRECHT).

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Mein lieber Freund, ich unterschreibe jeden Punkt, den du ansprichst. Es gilt, sich zu wehren, aber wie es in deinem Zitat aus der taz steht und wie ich das in meiner zugegeben etwas echauffierten Polemik wiederholte: Wie soll sich Akademia nur wehren, wenn sie sich nicht organisiert. Das klägliche Scheitern der Lehrbeauftragtenproteste an der Münchner Ethnologie verdeutlichen dies, meiner Ansicht nach. Die Voraussetzungen waren ja alle da: Unterstützung durch Institut und Studierendenschaft, am Ende waren es doch nur ein paar Einzelkämpfer, die am Ende frustriert das Handtuch warfen.

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Tja, ein schwieriges Feld. Aber ob es uns gefällt oder nicht, steht doch eines fest: Universitäten kosten Geld, und dass muss auch irgendwie wieder hereinkommen. Kein Wunder, dass die Universitäten zunehmend mit Unternehmen kooperieren, insbesondere, wenn staatliche Mittel nicht ausreichen. In vielen Bereichen macht das auch durchaus Sinn. Vor allem wenn dadurch die Breite der Forschungsmöglichkeiten erweitert werden kann. Das könnte durchaus auch auf die Geisteswissenschaften zutreffen. Die Interessen der Wirtschaft dürfen dabei freilich nicht der alleinige Fokus sein - aber die latent feindseelige Haltung vieler Geisteswissenschaftler gegenüber einem System, dass sie selbst am Leben erhält und ihre Forschung überhaupt erst möglich macht, ist kontraproduktiv, paradox und inkonsequent! Man sollte nicht ablehnen, ohne die eigenen Möglichkeiten etwas zu verbessern, auszuloten und man kann nicht immer nur schwarz/weiß - Malerei betreiben. Das führt nur dazu, dass man die eigenen Erfolge gar nicht bemerkt. Wenn Wolfi feststellt, "[...] wieviel Kompetenz und Verständnis für kulturelle und soziale Dynamiken [...] manche Manager aufbringen", so ist dass doch erfreulich. Was soll also gleich wieder der Kommentar mit dem "blenden lassen" - ohne zu wissen, worüber genau man gerade redet und ohne die Leute in Wolfis Arbeitsumfeld kennengelernt zu haben? Wir schreien laut nach neuen Stellen, nach mehr Mitteln und besserer Förderung. - Vollkommen zu Recht, aber gleichzeitig muss auch vor der eigenen Haustüre gekehrt werden . Man muss sich schon ernsthaft damit auseinandersetzen, wenn die Entscheidung z.B. für ein Ethnologiestudium, bei Eltern, Freunden und wem man das sonst noch erzählt, immer wieder die gleiche süffisante Frage provoziert: "Ja was willst Du denn dann später mal machen?" Wenn man dazu nichts zu sagen hat - und gerade das ist ein Problem der Lehre - ja dann bleibt in der Tat nur der Rückzug in die facheigene Ideologie. Der sprichwörtliche Blick über den eigenen Tellerrand ist damit dahin, bevor er überhaupt entwickelt werden kann. Und ernsthafte Zuhörer findet man dann höchstens noch in den eigenen Reihen.
Meine Forderung geht aus diesen Gründen und aufgrund der Überlegungen von Paco, Wolfi und Areia, denen ich mich größtenteils anschließe, an mehrere Adressen: 1) Der Staat darf seine Verantwortung für die Gewährleistung wissenschaftlicher Freiheit nicht einfach aus der Hand geben. Auch nicht mittelbar durch die Kürzung von Geldern.
2) Universitäten produzieren für die Gesellschaft. Der Arbeitsmarkt kann lediglich ein Teilaspekt sein. Das heißt aber nicht, dass dieser Bereich deshalb weniger wichtig ist. Kooperation ist deshalb wünschenswert, Unterordnung hingegen nicht.
3) Diese Forderung geht insbesondere an die Geisteswissenschaften: Man sollte die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft nicht immer von vorneherein als Gefahr für die Freiheit von Wissenschaft und Forschung betrachten. Zumindest sollte man sich gut überlegen, ob nicht gerade dadurch sowohl das Forschungsspektrum erweitert, als auch das Gewicht der Forschungsergebnisse, die allgemeine Relevanz der geisteswissenschaftlichen Disziplinen und nicht zuletzt auch das eigene Selbstvertrauen gesteigert werden kann.

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