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Einladung: Interdisziplinärer Kongress - Indigene/Interkulturelle Universitäten


zur Notwendigkeit eines interkulturellen Wissensaustauschs und epistemologischen Pluralismus im Kontext von Gleichberechtigung und Selbstbestimmung marginalisierter Gruppen

In Zusammenarbeit mit dem Institut für Ethnologie und Afrikanistik der LMU München haben wir einen interdisziplinären Kongress an unserer Universität vorbereitet, zu welchem wir alle Interessierten herzlich einladen möchten.

Anlass ist der wiederholte Besuch des Vertreters einer indigenen Gemeinschaft aus Ekuador, Tzamarenda Naychapi.

(Herr INOCENCIO RAMOS vom CRIC aus Kolombien kann leider aufgrund aufkommender Volkswiederstände in Kolumbien, sowie mangelnder finanzieller Mittel NICHT, wie geplant, am Kongress teilnehmen!)

Der Gast aus Lateinamerika bemüht sich um den Aufbau einer autonomen indigenen Universität in seiner Region.

Thema des Kongresses ist die aktuelle Bewegung indigener Gruppen Lateinamerikas zur Erlangung eigener Bildungsinstitute.

Durch die Hervorhebung des erkenntnistheoretischen Wertes indigenen Wissens für die westliche Wissenschaft (auch hier in Europa) soll das Konzept der Hilfe zur Selbsthilfe transzendiert und zu einem gleichberechtigten Diskurs zwischen den Kulturen angeregt werden. Auf diese Weise soll die bloße Akzeptanz von fremden Kosmologien in eine demystifizierte und differenzierte Wertschätzung fremdkulturellen Gedankenguts transformiert werden (mehr hierzu in den Hintergrundinfos weiter unten).

In diesem Kontext wird erwartet, dass sich Akademiker der verschiedenen Fachbereiche mit den indigenen Vertretern über die Notwendigkeit und die Möglichkeiten eines interkulturellen akademischen Austauschs beraten. Dieser Austausch könnte, so die Hoffnung, den Grundstein für indigene/interkulturelle Universitäten legen.

Wo?

Raum A 014 LMU Hauptgebäude Geschwister-Scholl-Platz 1 80539 München

Wann?

Samstag, 22. April 2006

14:00 - 19:00 h

Kontakt: Jan Linhart Dr. Josef Drexler

interdis.kongress@gmx.de 089 - 589 609 36 0176 - 232 938 17

Hintergrundinformationen:

Autochthone Völker haben es in der zusammenwachsenden "Weltgemeinschaft" schwer.

Nach wie vor werden die Indigenen und Kleinbauern (nicht nur) in Südamerika von Öl-, Holz-, Zellstoff- und anderen internationalen Konzernen sowie illegaler Landnahme durch Siedler bedrängt. Zudem erdreisten sich immer mehr internationale Firmen, Gen-Patente auf indigene Kulturpflanzen zu erheben (prominente Beispiele wären der Basmatireis in Indien oder Cupuaçú in Amazonien).

Zur Verteidigung ihrer Rechte fehlen den betroffenen Minoritäten die nötigen Fachkräfte, da sie selbst nur beschränkten Zugang zu einem ihnen fremden Bildungssystem haben. Hinzu kommt, dass die wenigen "indigenen Akademiker" zumeist von Missionarsschulen kommen und sich daher von ihrer traditionellen Kultur derart entfremdet haben, dass sie sich für diese Werte nicht mehr einsetzen.

Folge ist die soziale und ökologische Degradation der betroffenen Regionen, verbunden mir Ausbreitung von Krankheiten, Prostitution, Ethno-, Linguo- oder gar Genozid, sowie der dauerhaften Zerstörung von Ökosystemen durch Rodung, Erosion und Verseuchung.

In der letzten Dekade sind diesbezüglich vor allem zwei Problematiken diskutiert worden:

  1. Die Frage um die Landrechte indigener Bevölkerungsgruppen.
  2. Genpatente auf Kulturpflanzen indigener Völker, bzw. auf in "Dritt-Welt"-Staaten endemische Pflanzen.

Diese beiden Problemfelder sind eng mit der Bildung verquickt. Aus Gründen mangelnder Infrastruktur, aber auch nicht zuletzt rassistischer Diskriminierung, sind indigene Bevölkerungsteile oft nahezu vom akademischen Bildungssystem ausgeschlossen.

Daher haben sich in den letzten 20 Jahren verschiedene staatliche und nicht staatliche Institutionen um den Aufbau von indigenen Universitäten, bzw. die Einbindung von indigenem Wissen in bestehende Bildungsinstitute bemüht (so z.B. in Bolivien, Brasilien, Ecuador, Kolumbien, Mexico und Argentinien).

Die zugrunde liegenden Ansätze sowie die Durchführung und Organisation dieser neuen Bildungsmodelle sind sehr unterschiedlich; sie reichen von der Einbindung indigenen Wissens im Bereich Tropenökologie und alternative Agrartechniken in bestehende Universitäten (z.B. Universitade Federal de Minas Gerais & Matogrosso, Brasilien, oder auch in Bolivien), bis hin zu kleinen, völlig unabhängigen Versuchen eine eigene Universität (unter dem Primat indigenen Wissens) in der indigenen Kommune aufzubauen.

Letzteres wird seit einigen Jahren in der "Shuar communidad Yawints", Ecuador, oder auch bei den Nasa in Tierradentro, Kolumbien, versucht. So entstand die "Universidad de las Ciencias Ancestrales".

Treibende Kraft und Initiator dieses Projektes ist Tzamarenda Naychapi, "Botschafter" der Gemeinschaft Yawints.

Ziel ist es, kurz gesagt, in Zusammenarbeit mit westlichen Volontären (Studenten und Lehrende) westliches Wissen in indigene(s) Wissen(schaft) einfließen zu lassen und so eine Basis für die Ausbildung eigener akademischer Fachkräfte zu schaffen, welche Land- und Patentrechte für traditionell lebende Gemeinschaften durchsetzten können, ohne dabei von NGOs etc. abhängig zu sein.

Ein solches Projekt scheint mir aus mehren Gründen äußerst unterstützenswert und notwendig: Abgesehen von dem unmittelbaren praktischen Nutzen einer solchen Institution für die betroffenen Völker (Durchsetzung von Land- und Patentrechten und damit verbundene finanzielle und akademische Unabhängigkeit bei freier kultureller Entwicklung), ergibt sich die Notwendigkeit eines Wissensaustauschs aus dem westlichen wissenschaftstheoretischen Diskurs, welcher vor allem von postmodernen Wissenschaftlern und Philosophen geführt wurde. Das postmoderne Dilemma einer auf sich selbst bezogenen Humanwissenschaft, welche aus der Erkenntnis eines epistemologischen Pluralismus keine Konsequenz zu ziehen in der Lage ist, harrt noch seiner Lösung! Gerade heute zeigt sich der ideologische Zwist zwischen Positivisten und Postmodernen, Biologisten und Geisteswissenschaftlern in den aktuellen Diskussionen um die biologische Basierung des Geistes der Neurowissenschaften. Gleiches finden wir in der Sprachwissenschaft im Kampf der generativen Grammatiker des MIT (Massachusetts Institute of Technology) und den Kognitivisten, dasselbe Problem begründet die anhaltende "Krise der Ethnologie".

Diese Fragen gehen ALLE an! Sie betreffen den Juristen, der sich über Determinismus und Verantwortung den Kopf zerbricht; den Politiker in seiner Debatte um "Leitkultur"; den Neurowissenschaftler; den Sprachwissenschaftler; den Philosophen; den Physiker, der sich über den Methodenpluralismus klassischer, relativitätstheoretischer und quantenmechanischer Modelle wundert. Es gibt wohl kaum einen Wissenschaftsbereich, welcher sich schlussendlich dieser Frage entziehen könnte.

Der philosophisch-wissenschaftstheoretische Diskurs der letzten 40 Jahre (Deleuze, Foucault, Feyerabend) hat dieses Problem nicht lösen, sondern nur vertiefen können. Die Ethnologie kennt dieses Problem besonders gut, hat aber, bis auf wenige Ausnahmen (Crapanzano, Huizer, Stoller), nie den Weg gefunden sich zu den praktischen Konsequenzen zu bekennen, welche eine Anerkennung der prinzipiellen Gleichwertigkeit verschiedener Kosmologien (bzw. Epistemen/Dispositive) impliziert: Nämlich ein Sich-Einlassen der Wissenschaft auf extraokzidentale Epistemen.

Es gilt also, im Interesse der "Erkenntnis", welche sich die Wissenschaft auf ihre Fahnen geschrieben hat, mit anderen Kosmologien in einen gleichberechtigten Diskurs zu treten! Eine gute Möglichkeit hierzu bietet ein fachübergreifender interkultureller Wissensaustausch auf akademischem Niveau.

Aus diesen Gründen sucht Herr Tzamarenda Unterstützung für sein Projekt. Dabei geht es nicht nur um finanzielle Mittel zum Aufbau der "Universität", sondern um den Ausbau eines Netzwerkes zur interkulturellen Zusammenarbeit auf akademischer Ebene. Grundlage ist der Gedanke der Gleichberechtigung kulturspezifischer Kosmologien und impliziter Epistemologien.

Hierzu ist es nötig, dass Dozenten und Studenten aus den verschiedenen Kulturen miteinander arbeiten, ihre Kosmologien diskutieren und nach Wegen suchen, eine Wissenschaft des epistemologischen Pluralismus zu begründen, in dessen Rahmen sich das Wissen und die Interessen der unzähligen Ethnien und kulturell verschiedenen Gruppen behaupten können. Da leider bislang die Mittel für derartige Projekte sehr gering sind kann ein solcher akademischer Austausch zunächst nur auf der Basis von Volontariaten geleistet werden.

Daher versuchen wir einen Kongress zur Diskussion der Notwendigkeit und Realisierbarkeit interkultureller Zusammenarbeit auf akademischem Niveau zu organisieren. Hier sollen indigene Vertreter solcher Universitäten, wie z.B. Herr Tzamarenda, ihre Ideen darlegen können und über ein mögliches Austauschprogramm mit der "Universidad de las Ciencias Ancestrales" und anderen indigenen Universitäten nachgedacht werden.

Wünschenswert ist aus oben genannten Gründen die Teilnahme von Wissenschaftlern aus möglichst allen Fachgebieten, idealer Weise auch anderer Universitäten.


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Na das wär doch mal wieder ein Anlaß, das Land zu durchqueren. Ich werd versuchen, mich frei zu machen.

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super info,

aber leider sehr kurzfristig.

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