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Ethno::log |
Leserbrief zu AZ-Artikel: "Das Rätsel der Hautfarbe" Ich habe soeben an die AZ folgenden Leserbrief geschrieben. Er bezieht sich auf den Artikel in der heutigen AZ (6.11.) auf Seite 40, der unter der Überschrift steht: "Das Rätsel der Hautfarbe" www.abendzeitung.de Mit lieben Grüßen, Wolfi Habermeyer Negroide Lippen und Judennase Liebe AZ, lieber Arno Makowsky, tut mir als meine Leib- und Magenzeitung (fast 40 Jahre treue Leserschaft!) doch den Gefallen und erschreckt mich nicht schon am Morgen mit solchen Sachen. Barack Obama steht, wie z. B. seine Unterstützer Henry Louis Gates (Harvard) oder Anthony Appiah (Princeton), auch dafür, dass dieses dumme Gerede von den Rassen endlich auch in den USA aufhört. Es gibt keine Rassen unter den Menschen. Die Einteilung der Menschheit nach der Höhe ihres Melaninspiegels, der die Pigmentierung ihrer Haut steuert (viele Pigmente pro Quadratzentimeter Haut = dunkle Haut, wenige = helle Haut), ist eine rein willkürliche Einteilung, eine Einteilung, die vom Willen desjenigen abhängt, der da einteilt. Gerade so gut könnte man die Menschheit längs ihrer verschiedenen Nasenformen einteilen. Denn auch vom Melaninspiegel kann man so wenig wie von der Nasenform keine Verbindung (Korrelation) herstellen zur Denkfähigkeit oder dem Charakter eines Menschen. Ja, die Haare und die Lippenformen gehen oft Hand in Hand mit dem Melaninspiegel, das stimmt – so wie Rothaarige auch so gut wie immer eine sehr helle Haut haben. Würde deswegen jemand auf die Idee kommen, eine Einteilung der Menschen gemäß ihrer Haarfarbe zu machen? Nein, das wäre selbst dann, wenn es nur absolut beste Blondinenwitze gäbe, langweilig und vor allem unergiebig. Solche Einteilungen längs der Hautfarbe wurden nur deswegen gemacht, weil sie für denjenigen, der einteilte, eben nicht langweilig und unergiebig waren, sondern seine Überlegenheit festschrieben: und zwar genau deswegen, weil der Einteilende eine Verbindung herstellte zwischen angeblicher Hautfarbe und Intelligenz und Charakter usw. (Und dass zur Einteilung in angebliche Rassen noch andere wichtige Kriterien eine Rolle spielen außer der so genannten Hautfarbe, macht die Sache ja nicht besser. Gut, sollen die Verhaltensforscher wie z. B. Wulf Schievenhövel weiterhin von Populationen sprechen und ihre Kriterien wie Körpergröße, Haarbeschaffenheit, Augenstellung etc. pflegen. Wenn sie von "Rasse" sprechen und damit einen Übergang herstellen zu Charakter und Denkfähigkeit, haben/hätten sie im Diskurs erwachsener Menschen nichts zu suchen.) Ein Mann wie Barack Obama mit familiären Wurzeln in Kenia sollte endlich auch als Aufforderung dafür aufgefasst werden, dass diese Einteilung beendet wird und der Vergangenheit angehört und ich Zukunft in der AZ nichts mehr von "negroiden Lippen" lesen muss. Oder würde meine geliebte AZ auch ungerührt von der "typischen Judennase" schreiben? Ich hoffe, Ihr schreibt nicht deswegen nicht mehr von der "Judennase", weil das irgendwie politisch unkorrekt wäre, sondern weil Ihr wisst, dass das Unsinn wäre, dass die als Klassifizierung dienende Verbindung von Nasenform und religiöser Zugehörigkeit nur von denjenigen hergestellt wurde, die ein eindeutig rassistisches Interesse an dieser Verbindung hatten. Gut, ich gebe zu, dass das eventuell schwierig zu begreifen ist: Es gibt Rassismus, aber es gibt keine Rassen. Aber die AZ ist ja sonst auch nicht dumm. Antirassismus gegenüber dem nationalsozialistischen Antisemitismus heißt ja auch nicht: Akzeptanz der Behauptung, dass die Juden eine eigene Rasse seien und man nur die negative Bewertung ihrer Rasse ändern müsse. Nein, das heißt, die Behauptung zurückweisen, dass Menschen aufgrund ihrer religiösen Ausrichtung als Rasse bezeichnet werden. Warum? Weil es auch entlang dieser die Kultur des Menschen ausmachenden Unterschiede keine Einteilung der Menschheit in Rassen gibt. Punktum! Nehmt den Barack Obama als Chance und lasst das in Zukunft einfach sein. Dann müsst Ihr bezüglich "Rasse" auch keinen Anführungszeichen-Eiertanz mehr machen. Mit lieben Grüßen, Dr. Wolfgang Habermeyer, Ethnologe und Lehrbeauftragter am Institut für Ethnologie der LMU in München. PS: Zur angeblich mangelnden Gebärfähigkeit von dunkelhäutigen Menschen unter "nordischen Bedingungen" (wie bitte?), weil deren Knochen weicher werden, muss ich nix weiter sagen, oder? Da wird die Redaktion dem Michael Heinrich eh schon den Marsch geblasen haben. Und vielleicht ist er selbst auch schon alt genug, um noch zu erinnern, dass es "in unseren Breiten" früher auch immer geheißen hat, Onanieren würde zu Knochenmarkschwund führen. Die Antwort auf diese Behauptung war immer schon der mit gebogenem Finger gezeigte Vogel. Und noch was: Sind Schwarz und Weiß eigentlich Farben? Dass es keine gelb- und rothäutigen Menschen gibt, schreibt ihr ja selbst. Und wirklich "weiß" sind wir hier bei uns auch nicht: Fragt mal eure Fotografen, was es für ihr Handwerk bedeuten würde, wenn wir alle wirklich weiß wären, und das nicht nur im Gesicht. "Schwarz und Weiß" als Farben, die gemacht wurden, die also erst im Diskurs also solche entstanden und dann mit bestimmten Inhalten aufgeladen wurden, werden seit 20 Jahren recht intensiv untersucht in den Kulturwissenschaften. Da wurden interessante Dinge bezüglich der pejorativen Aufladung dieser "Farben" herausgefunden. ... Link (6 comments) ... Comment Dept. of , heiland, November 6, 2008 at 12:22:22 PM CET
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