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Bunker Valentin


Ein Ort im europäischen Gedächtnis ? [Photo hnobel.de: "Auch im Hochsommer friert man vor der Einfahrt."]

Valentin ist ein Artefakt, das aus der Endphase der nationalsozialistischen Kriegsmaschinerie stammt. 1943 war durch die Bremer AG Weser der neue U-Boottyp XXI entwickelt worden, von dessen Einsatz die Deutschen sich eine entscheidende Wendung hinsichtlich ihrer militärischen Unterlegenheit im Seekrieg versprachen. Die Kontrolle des Luftraumes über dem Reichsgebiet durch die westlichen Alliierten weiterhin gab den Ausschlag zur Realisierung eines gigantischen Bauvorhabens im Sommer 1943, dem Bau des U-Boot-Sektionsbau-Werftbunkers Valentin in Bremen-Farge.
Der Bunker ist riesig. Es ist 16 Jahre her, daß ich dort drin war. Mein Geschichtslehrer war jung, hatte in den 1970ern studiert und war ein engagierter Vertreter eines Paradigmenwechsels innerhalb der Geschichtswissenschaft, der Dinge wie 'Alltagsgeschichte' und 'Regionalgeschichte' in den wissenschaftlichen Blick gerückt und als akademische Subdisziplinen etabliert hatte. Es ist genau diese Generation von Geschichtslehrern, die in den 70ern studiert hat, die eine Veränderung von Lehrplänen im Fach Geschichte an den Schulen bewirkt hat--hin zu einem 'Anderen Zugang', weg vom Heruntergebete der Liturgie von der gestürzten Republik und standardisierten "Analysen der Machtergreifung" [vgl. Habermas zur Postnationalen Konstellation]. more..
Wir hatten damals ein Schülerprojekt zum Bunker Valentin durchgeführt, haben Regionalgeschichte 'hautnah' recherchiert, sind nach Bremen-Nord gefahren, haben Interviews mit Anwohnern und Zeitzeugen geführt und eine Ausstellung konzipiert, die dann im Staatsarchiv Bremen gezeigt worden ist. Der Bunker ist derzeit, bis 2010, in Benutzung der Bundeswehr, die nach Terminabsprache nach wie vor Führungen durch das Innere veranstaltet. Vielleicht hat der eine oder andere schonmal von Kresnik's Inszenierung von 'Die letzten Tage der Menschheit' gehört. Der Bunker wird zur Bühne. Es muß dieselbe Zeit des Jahres gewesen sein, als wir nach Farge fuhren--klamme Feuchte, die dir unter die Kleidung kriecht und eisiger Wind. Unser Lehrer ermahnte uns, keine humoristischen Bemerkungen und/oder Zeichnungen im Gästebuch der Bundeswehr zu hinterlassen, damit ein möglicher Affront sich nicht auf künftige Besichtigungsoptionen negativ auswirke. Wir gaben uns Mühe.
Drinnen wie draußen dominierten die gigantischen Ausmaße des Bunkers--schwer zu denken, was es bedeutet hat, dieses Ding zu errichten. Fußabdrücke im Beton--einer ist so deutlich erhalten, als hätte man den Fuß in Gips gegossen. Man kann die feinen Linien in der Haut sehen, an den Stellen, an denen die Zehen auf der Unterseite in die Fußsohle übergingen--dieser Fußabdruck ist Teil der Führung. Der Bunker ist wahrscheinlich voll von Abdrücken von Füßen und Händen, dies liegt in der Natur des Betons, doch man sieht sie nicht, denn die Beleuchtung ist spärlich. Tausende von Leichen, Häftlinge, die bei der Arbeit starben, wurden im Beton entsorgt. Der Bunker ist ein Grab.
Rund 50 Firmen waren am Bau beteiligt und zwischen 10.000 und 12.000 Zwangsarbeiter mußten täglich schwerste Sklavenarbeit auf der Baustelle verrichten. Mindestens viertausend von ihnen starben auf der Baustelle. (...). Untergebracht waren die Häftlinge (Kriegsgefangene, sog. Fremd- und Ostarbeiter und KZ-Insassen) in acht Lägern im Umkreis, an die heute nur noch wenig erinnert. Die Produktion sollte in einer Art Taktverfahren, fast wie am Fließband ablaufen. Hierbei hätte jedes Boot innerhalb des Bunkers mehrere Stationen auf rollenden Unterkonstruktionen durchlaufen, bis es schließlich die Naßbox bzw. das Tauchbecken erreicht hätte, in der dann vor dem Stapellauf noch letzte Montagearbeiten, Tauchprobe und Dichtigkeitstests durchgeführt worden wären. Hierzu kam es nie - aufgrund der alliierten Bombenangriffe wurde der Bau am 27.März 1945 eingestellt. (...)

Inge Marszolek begann vor einigen Jahren damit, die Auseinandersetzung der Bremer Kulturwissenschaft mit dem U-Boot Bunker in Farge unter dem Stichwort 'Erinnerungskultur' voranzutreiben und hat seither mehrere studentische Seminare zum Gegenstand veranstaltet. Am 24. bis 26.11.05 findet in Bremen eine
Tagung mit folgenden öffentlichen Teilveranstaltungen statt:

  • 24.11., Eröffnungsvortrag 20.00 Gästehaus der Universität auf dem Teerhof: Dieter Bartetzko (Frankfurter Allgemeine Zeitung) „Zum Siege mahnend, dem Tode geweiht“. Bunkerarchitektur im Bauprogramm des Dritten Reichs. Begrüßung: Hans Koschnick (ehemaliger Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen)
  • 25.11., 20.00 Villa Ichon: „Der Bunker ‚Valentin’ als Theaterspielstätte“ Gespräch mit Gabriela Maria Schmeide, Serge Weber, Uli Beckerhoff u.a. Mitwirkende aus der Inszenierung des Bremer Theaters „Die letzten Tage der Menschheit“ von Johan Kresnik Moderation Katrin Krämer (Radio Bremen) im Rahmen der Foto - Ausstellung „Grasnarben“ von Barbara Millies und Harald Schwörer.

paar links: Geschichtslehrpfad.de, Bunker Farge.de, lostplaces.de, geocities.com, relikte.com, hnobel.de


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