Ethno::log |
Dept. of Publications, anthronaut, December 20, 2005 at 7:25:33 AM CET Rezension: Nach der großen Flut Am 26. Dezember jährt sich die Tsunami-Katastrophe zum ersten Mal. Wir kennen Zeitungsfotos und Zahlen, die uns ein Bild von den Ausmaßen dieser Katastrophe vermitteln wollen: Doch wissen wir wirklich, wie die Ereignisse minus Pressepathos und Sensation waren? Dr. Hilde K. Link arbeitet seit rund 20 Jahren in Indien und lebt seit acht Jahren zwischen ihren Arbeitsplätzen in München und Chinnamudaliyarchavadi – „ihrem“ Dorf in Tamilnadu, Südostindien. Auch am Tag der großen Flutkatastrophe war sie dort, am 26. Dezember 2004, zwei Tage nachdem sie mit Familie und engstem Bekanntenkreis richtig europäische Weihnachten gefeiert hatte. Ihr Haus wurde knapp verschont, doch über neunzig Fischerfamilien, die in unmittelbarer Nachbarschaft wohnen, sind binnen kurzer Zeit obdachlos geworden. Unverzüglich wollte sie helfen. Die Kunst richtig zu helfen Jedoch ist Helfen nicht so einfach, wie viele es gerne hätten. Spendengelder sind ein Segen des Himmels, jedoch sind sie alles andere als einfach anzuwenden. In den Medien wird ein einfaches vorher – nachher Bild propagiert: Von arm zu reich, von ungebildet zu gebildet und von sterbenskrank zu kerngesund. Manche Hilfsorganisationen, denen große Summen in treuhänderische Obhut gegeben wurde, stellen einfach eine Lieferung Boote und Berge von Nahrungsmittel auf einen Dorfplatz und verschwinden wieder – Ohne die Bewohner jemals gefragt zu haben, was sie wirklich brauchen und vor allem: Ob sie überhaupt diese Art von Hilfe wollen. Bei allem guten Willen, welchen die Leute hinter diesen Aktionen haben, vergessen sie häufig , dass die betroffenen zwar Opfer sind aber alles andere als unselbstständig und unwissend um die beste Strategie, wie ihre Probleme zu lösen sind. Dr. Hilde K Link beschreibt in ihrem Buch die interessante und spannende Erfahrung, dass man viel Geduld und Nerven braucht, wenn man den Erwartungsdruck der Spender im Nacken hat und zugleich auf die komplexen Regeln der Gesellschaft vor Ort achten muss. Zeit des Umdenkens In Indien gibt es soziale Strukturen, die sich seit hunderten von Jahren bewährt haben. Doch auch Strukturen, die gewachsen sind wie ein Baum können durch eine Flutwelle erschüttert werden: „Der Tsunami hat nicht nur unsere Hütten überflutet, sondern auch unseren Geist durchgespült“ meint Satya, einer der Protagonisten des Buches. Eindrücklich beschreibt Dr. Hilde K. Link in ihrem Buch, wie der Ausnahmezustand die betroffenen Menschen zum Umdenken bringt und Wertvorstellungen verändert. Wichtige Impulse bestehen, die dazu geführt haben, dass nun in diesem Dorf neben einer ständigen medizinischen Versorgung auch eine Förderschule für begabte Kinder ungeachtet ihrer sozialen Herkunft eingerichtet wurde. Eine Weihnachtsgeschichte „Nach der großen Flut“ ist zugleich ein Erlebnisbericht aus erster Hand von einer Wissenschaftlerin, die viele Jahre in dieser Gegend wohnt und die lokale Kultur sehr gut kennt und eine neue Weihnachtsgeschichte: Schutzlose Menschen werden abgewiesen und aufgenommen. Und es geschehen Wunder, die selbst für die hartgesottene Ethnologin unglaublich erschienen. Dr. Hilde K. Link: Nach der großen Flut. Wie der Tsunami das Leben in „meinem“ indischen Dorf veränderte. Verlag Nymphenburger, 2005, 253 Seiten, Euro 16,90 Infos zum Projekt unter: www.linkhilfe.de ... Comment |
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