Ethno::log |
Dept. of ethnologica, zephyrin, May 11, 2005 at 12:06:05 PM CEST Rassenspektrum Die Ethnologin Dr. Gabriele Herzog-Schröder hat einen Leserbrief zu einem jüngst in Spektrum der Wissenschaft erschienen Artikel verfasst: Spätestens seit den Ergebnissen von Luigi Cavalli-Sforza sollte der Versuch, die Menschen in Rassen einteilen zu wollen einer finsteren Vergangenheit angehören. Er, wie auch führende Molekularbiologen wie z.B. Svante Pääbo vom MPI Leipzig, haben sich von Rassenideologien klar distanziert. Was soll mit einer Festlegung von Rassen bezweckt werden? Der Beitrag von Banshad und Olson ist bestürzend, wiewohl anzuerkennen ist, dass von Seiten der Herausgeber—im Inhaltsverzeichnis und in den Hinweisen auf den Artikel—stets die Fragezeichen betont wurden. Das erste Problem besteht darin, dass es sich bei dem Text um eine Übersetzung handelt und dass das angelsächsische 'race' nicht unbedarft ins Deutsche als 'Rasse' übertragen werden kann. Die verschiedenen Nationen haben ihre jeweils spezifischen Probleme, was diesen Begriff angeht, und es zeugt von historischer Kaltschnäuzigkeit, den Terminus 'Rasse' als Synonym von 'Ethnie', 'Population' oder 'Bevölkerungsgruppe' in den Kontext medizinischer Fürsorglichkeit zu kleiden. Wozu dient eine Forschung denn eigentlich wirklich, die das menschliche Genom weiter und weiter durchwühlt, um schlussendlich doch noch Menschenrassen zu identifizieren? Die vorgestellte Forschung zielt auf folgendes: es soll differenziert werden. Menschen sollen unterschieden, klassifiziert, geordnet werden. Es soll—auf Teufel komm heraus—diskriminiert werden! Die Begründung dieses Treibens, die auf eine bessere Wirksamkeit von Medikamenten abzielt, kommt da als armseliges Feigenblatt daher. Das wird in den Ausführungen von Prof. Haen erfreulicherweise deutlich. Haen zeigt, dass schon ein Glas Grapefruitsaft oder einige Zigaretten mehr oder weniger den Effekt der 'genetisch angepassten' Medikation nivellieren können. Nun kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass die genetischen Übereinstimmungen bei historisch lange Zeit weitgehend isoliert lebenden Populationen größer sind als in den so genannten Schmelztiegeln. Dass Menschen unterschiedlich sind und dass innerhalb des einen Genoms dieser einen Menschheit spezifischen Anlagen bzw. phänotypische Ausprägungen bei nahen Verwandten ähnlicher sind als bei entfernteren, das kann doch nicht wirklich als Erkenntnis gepriesen werden! Es stellt sich hier die Frage: Sollten die Erfolge auf dem Gebiet der rassisch motivierten Medikamentenentwicklung also primär den weitgehend isoliert lebenden Gesellschaften zugute kommen? Denn nur hier scheinen die Klassifikationen annähernd deutlich auszufallen. Dies anzunehmen wäre ein politisches Novum und ist als Begründung dieses Forschungsansatzes überaus naiv. Das medizinische Paradigma wird, da humanitär motiviert, als scheinbar unanfechtbar vor der Menschenforschung hergetragen. Hierzulande sollten wir uns daran erinnern, dass es nicht zuletzt die Idee der Rassenhygiene war, die bereits in den Zeiten des Kolonialismus und im Exzess während des 'Dritten Reichs' zu schlimmsten Verbrechen an Millionen von Menschen geführt hat. Dr. Gabriele Herzog-Schröder, München den 8. Mai 2005 Der Leserbrief bezieht sich auf: MAMSHAD, MICHAEL J. UND STEVE E. OLSON. 2005. Menschenrassen—eine Fiktion? Spektrum der Wissenschaft Mai 2005: 90-95. HAEN, EKKEHARD. 2005. Das Genom ist nur die eine Seite. Spektrum der Wissenschaft Mai 2005: 96-97. ... Comment
kerleone, May 11, 2005 at 12:25:56 PM CEST
Sehr gut. Es ist ausgesprochen wichtig, dass Ethnologen stärker öffentlich Stellung beziehen bei Themen, bei denen sie etwas beitragen können. ... Link ... Comment
age-man-eight, May 11, 2005 at 7:25:31 PM CEST
Literatur zum Thema
Dem Artikel kann ich nur beipflichten. Nur möchte ich hier hinzufügen: Nicht nur die Ergebnisse der Pharmakogenetik (Wissenschaft von den genetisch bedingten Unterschieden in der Arzneimittelwirkung siehe Bundesamt für Technikfolgenabschätzung) ... Link ... Comment |
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